Sind Algen das Superfood von 2021?
Die Wirtschaft befindet sich im ständigen Wandel und erlebt unentwegt neue Trends, die branchenübergreifend zum Vorschein kommen. Da ist es kein Wunder, dass auch in 2021 innovative Entwicklungen unsere Aufmerksamkeit fordern:
Gerade im Hinblick auf die wachsende Bevölkerung wird immer wieder nach neuen Rohstoffquellen gesucht, die unsere Bedürfnisse nachhaltig befriedigen können. Mehr als ein Blick richtete sich bei der Suche auf Algen, die in einigen Teilen der Welt schon lange fest in den Alltag integriert sind.
Algen sind vielzellige Meerespflanzen, die mindestens einen Zellkern besitzen und somit zu den Eukaryoten zählen. Sie betreiben Photosynthese und werden aufgrund ihrer Färbung in Grün-, Rot- und Braunalgen eingeteilt. Oft werden auch Blaualgen zu den Algengruppen gezählt, die aber eher als Bakterien gelten und deswegen auch Cyanobakterien genannt werden. Forscher gehen davon aus, dass es weltweit über 400.000 Algenarten gibt, von kleinsten Mikroalgen, die wir teilweise mit bloßen Augen gar nicht sehen können, bis hin zu Makroalgen, von denen einige über 40 Meter lang werden. Unter günstigen Bedingungen können zum Beispiel Fadenalgen in zwei Wochen zwischen zwei und drei Metern wachsen. Dieses schnelle Wachstum, welches die meisten Algenarten gemein haben, macht die Meerespflanzen zu einem nachhaltigen Rohstoff, der in unerschöpflichen Mengen vorhanden ist und bereits seit mehreren Jahren auch in professionellen Algenfarmen gezüchtet wird.
Diese machen inzwischen den Großteil der im Handel erhältlichen Algen aus. Von den unzähligen Algenarten wird nur ein Bruchteil industriell genutzt, bisher hauptsächlich in der Lebensmittelindustrie.
Gebraten, gekocht, gedämpft, gedünstet, getrocknet, roh oder eingelegt. In Asien werden jährlich ca. neun Millionen Tonnen Makroalgen als Salat, Gemüse, Suppeneinlage, Zutat für Sushi, Tee, Gewürz oder Snack konsumiert. Allein in Japan machen Algen bis zu 20% des täglichen Verzehrs aus, weshalb der Rohstoff dort eine bedeutende Position in der Wirtschaft einnimmt. Außerhalb Asiens sind Algen meist nur getrocknet erhältlich und kommen hauptsächlich bei der Zubereitung von Sushi zum Einsatz. Viele Jahre lang wurden sie von einem Großteil der Welt unterschätzt, aber inzwischen entdecken viele Unternehmen und Lebensmitteltechnologen die Vielzahl an gesunden und wertvollen Inhaltsstoffen, weshalb die Verwendung der Meerespflanze stark ansteigt und sie als Superfood des Jahres 2021 bezeichnet wird.
Algen nutzen im Gegensatz zu Landpflanzen, die mit Wurzeln Nährstoffe und Wasser aufsaugen, ihre gesamte Oberfläche, um Mineralstoffe und Spurenelemente aus dem Meerwasser aufzunehmen. Diese können sie in sehr hohen Konzentrationen speichern, was dazu führt, dass Algen die höchste Nährstoffdichte aller Pflanzen haben. Sie sind reich an Mineralstoffen (Magnesium, Calcium und Kalium), Spurenelementen (Eisen, Zink und Selen), Vitaminen, Kohlenhydraten, Proteinen, Aminosäuren und ungesättigten Fettsäuren. Außerdem enthalten sie Antioxidantien, Omega-3-Fettsäuren, die wichtig für den Stoffwechsel sind und eine entzündungshemmende Wirkung haben, sowie Niacin, welches zum Beispiel den Cholesterin- und Blutzuckerspiegel senken sowie Körperzellen schützen und regenerieren kann. Die zellerneuernden Eigenschaften wirken sich stärkend auf die Haut, Haare und das Bindegewebe aus und unterstützen sogar unser Immunsystem. Zudem enthalten einige Algenarten mehr Vitamin C als Zitrusfrüchte. Gerade für Veganer sind Algen eine alternative Quelle für essenzielle Aminosäuren, Kalzium und Omega-3-Fettsäuren.
Darüber hinaus haben Algen vor allem einen sehr hohen Jodgehalt und enthalten Kaliumchlorid. Diese Zusammensetzung macht sie zu einem geeigneten Substitut für Kochsalz, weshalb Algen zu einer deutlichen Reduktion unseres Salzkonsums beitragen können, der im Durchschnitt über den empfohlenen Werten liegt.
Im Allgemeinen sind Algen weich und zäh, die Blätter werden eingeweicht und abgespült und dann weiter verarbeitet. Es ist schwer, die zahllosen Algenarten darüber hinaus zu verallgemeinern, da ihre Eigenschaften je nach Art stark variieren. So reicht zum Beispiel der Geschmack von mild und fade bis hin zu würzig-salzig und intensiv. Um einen Einblick zu geben, möchten wir Ihnen die beliebtesten essbaren Algenarten kurz vorstellen:
Nori sind blattartige Rotalgen, die oft als getrocknete, papierartige Blätter verkauft werden, die vor allem dazu dienen, Sushi Rollen herzustellen, in Asien aber auch einfach als Snack geknabbert werden. Mit einem Proteingehalt bis zu 50 % ist Nori sehr nahrhaft, enthält aber wenig Natrium, da dieses während dem Verarbeitungsprozess größtenteils raus gewaschen wird. Die Algenart schmeckt mild und leicht nussig. Sie muss nicht gekocht werden und kommt geröstet, ungeröstet oder als Flocken in den Handel.
Wakame sind Braunalgen mit einer knackigen Konsistenz, die oft als Bestandteil für Salate oder Suppen genutzt wird, denen sie ein kräftiges Aroma verleihen. Sie sind besonders Jodhaltig und schmecken daher salzig. Wakame wird oft gekocht, fein geschnitten und mit etwas Sesamöl als Gemüsebeilage zu Sushi gereicht und in der Form auch eingefroren und verkauft.
schmeckt leicht nussig und mild und wird gerne mit süßlichen Zutaten kombiniert. So wird sie zum Beispiel oft mit süßem japanischen Reiswein gekocht. Hijiki wird meist als Gemüsebeilage oder vermischt mit Reis verzehrt, aber nicht wie Nori als Umhüllung für Sushi benutzt.
Neben der Verwendung als Gemüsebeilage eignen sich Algen auch sehr gut zur Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln. Besonders beliebt sind dafür die Mikroalgen. So wird zum Beispiel die Spirulina-Alge wegen ihrer ausgeglichenen Zusammensetzung von Vitaminen, Mineralien und weiteren Inhaltsstoffe zu Energieriegeln verarbeitet.
Darüber hinaus können verschiedene Algenarten auch zur Gewinnung sekundärer Inhaltsstoffe genutzt werden. Dazu zählen zum Beispiel langkettige Polysaccharide und Phycokolloide, die stark hydrophil sind und deshalb als Gelier- und Suspendiermittel oder Emulgator dienen können. Vor allem aus Rot- und Braunalgen werden außerdem Agar, Alginat und
Die Erzeugung dieser Hilfsstoffe ist die wohl gängigste Nutzung von Algen und von großer Bedeutung für die Lebensmittelindustrie. Jährlich werden etwa 15.000 Tonnen dieser Zusätze gewonnen und unter anderem bei der Herstellung von Lebensmitteln eingesetzt.
Inzwischen werden sich immer mehr Unternehmer weltweit der Vielseitigkeit des Rohstoffes bewusst und es entstehen Start-ups, die ihren Schwerpunkt auf Algen legen.
Darüber hinaus entwickeln Start-ups bereits Hühnerfleischersatz aus Spirulina-Algen, Jackfrucht und Kichererbsen und auch pflanzlicher Fischersatz ist in Arbeit.
Auch außerhalb der Lebensmittelindustrie werden Algen vielseitig eingesetzt. Im Folgenden richten wir den Fokus auf diese verschiedenen Anwendungsbereiche:
Schon in den 60er Jahren wurden Algen auf eine krebshemmende Wirkung untersucht, da aufgefallen ist, dass die Brustkrebsrate in Japan vergleichsweise niedrig ist. Heute können rund 70 Substanzen aus Algen hergestellt werden, die selektiv Krebszellen abtöten. Vor allem Fucoidane, ein sulfatiertes Polysaccharid, welches natürlich in Algen und bei einigen Meerestieren wie Meeresschnecken, Seegurken und Seeigeln vorkommt, wird aufgrund der Antikrebseigenschaften klinisch getestet.
Außerdem können Algen Jodmangel ausgleichen. Jod ist essenziell für Wachstumsprozesse, die Entwicklung des Nervensystems und notwendig zur Bildung von Schilddrüsenhormonen, die den Stoffwechsel und das Herzkreislaufsystem regulieren. Alleine in Deutschland leiden etwa 30 Millionen Menschen an einer Fehlfunktion der Schilddrüse, weil sie über die Nahrung nicht genug Jod aufnehmen. Das kann zu Gewichtsschwankungen führen, denn die Schilddrüse kann nicht mehr genug Hormone bilden und dadurch wird der Stoffwechsel langsamer. Algen haben einen natürlichen, hohen Jodgehalt und bereits kleinste Mengen der besonders jodhaltigen Algenarten wie Kombu oder Wakame können unseren Tagesbedarf decken. Das Superfood sollte aber in Maßen verwendet werden, da auch ein
Jodüberschuss die Entstehung von Krankheiten begünstigen kann und besonders bei Autoimmunerkrankungen in Erscheinung tritt, bei der unser Körper Abwehrstoffe gegen Teile der Schilddrüse bildet.
Neben Algen haben nur Meerestiere einen natürlich hohen Jodgehalt.
Algen sind wegen dem enthaltenen Astaxanthin, einem rötlichen Farbstoff der hauptsächlich von Grünalgen produziert wird, vor allem interessant für Hautpflegeprodukte. Astaxanthin kann mehr Formen freier Radikale bekämpfen als andere Antioxidantien und die Moleküle können wegen ihrer hohen Fett- und Wasserlöslichkeit alle Hautschichten und Zellmembranen durchdringen. Der Farbstoff reduziert Pigmentflecken, Trockenheit und Fältchen der Haut oder verhindert, dass sich Alterungserscheinungen bilden, weshalb Algen gerne in Hautpflege- und Anti-Aging-Produkten eingesetzt werden. Algenextrakte stärken die natürlichen Abwehrkräfte der Haut, wirken entzündungshemmend und die enthaltenen Proteine speichern Feuchtigkeit in der Haut und fördern ihre Regeneration.
Algen können zu verschiedenen Biokraftstoffen verarbeitet werden, die eine Alternative für Kraftstoffe aus Mais oder Zuckerrohr darstellen:
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Aus manchen Algenarten kann Öl extrahiert werden, welches durch Umesterung zu einem dieselähnlichen Kraftstoff verarbeitet wird. Bei der Umesterung werden Methanol oder Ethanol und ein Katalysator zugegeben.
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Die in Algen enthaltenen Kohlenhydrate können durch alkoholische Gärung in Ethanol umgewandelt werden.
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Wenn die Algenmasse zu Methan und Kohlendioxid vergoren wird, entsteht Gas.
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Bei Schwefelmangel stellen Algen die Erzeugung von Sauerstoff ein und produzieren stattdessen überschüssige Energie, unter anderem in Form von Wasserstoff.
Der Vorteil von Algen gegenüber von Mais und Zuckerrohr ist, dass die weniger Anbaufläche benötigen, da ihr Ertrag pro Fläche deutlich höher ist, vor allem durch das schnelle Wachstum.
Noch lohnt sich die Herstellung von Algenkraftstoffen allerdings nicht auf wirtschaftlicher Ebene, denn die Produktionskosten sind deutlich höher als bei den anderen Biokraftstoffen. Die Produktionsverfahren müssen in Zukunft weiterentwickelt werden, um den innovativen Kraftstoff in unseren Alltag integrieren zu können. Eine Lösung könnte die Enomoto-Alge darstellen, eine verbesserte Züchtung von Botryococcus, die sich viel schneller vermehrt als herkömmliche Algenarten.
Aus Algen lassen sich zum Beispiel in Kombination mit Zellulose Fasern herstellen, die zu weicher und atmungsaktiver Kleidung weiterverarbeitet werden können.
Selbst in Form von Textilien sollen Algen positive gesundheitliche Eigenschaften haben. Die natürliche Hautfeuchtigkeit wird beim Tragen freigesetzt und auch für Allergiker sind die Fasern gut verträglich. Aber vor allem sind Kleidungsstücke aus Algen ein Zero-Waste-Produkt. Die Algen-T-Shirts eines britischen Unternehmens beispielsweise können sich in gerade einmal 12 Wochen komplett selbst zersetzen, wenn sie in Erde vergraben werden.
Außerdem verbrauchen Algentextiliten weniger Ressourcen als herkömmliche Textilien.
Natürliche Farben aus Algenpigmenten können zudem chemische Textilfarben ersetzen.
An diesem Punkt ist Ihnen wahrscheinlich klar, dass Algen heute und in Zukunft viel mehr Anwendungsmöglichkeiten bieten, als wir aufzählen können.
Mit diesem Artikel haben wir Ihnen einen Einblick in den unerschöpflichen Rohstoff aus dem Meer gegeben. Die Algen machen deutlich, dass wir nicht immer etwas komplett Neues entdecken müssen, um Innovationen voranzutreiben. Manchmal reicht es, wenn wir unseren Blick auf bisher unterschätzte Rohstoffe richten und ihr volles Potenzial entfalten. Wir von LEROMA werden weiterhin die Augen offen halten und Ihnen von innovativen Rohstoffen und Trends in der Lebensmittelindustrie zu berichten.
Let’s simplify the future of change!