MAR 24, 2021

Bioplastik aus Reststoffen und Überschüssen


Hier in LEROMAs Magazin thematisieren wir immer wieder die Lebensmittelverschwendung und ihre Auswirkung auf die Umwelt. Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft, die nicht nur auf die Entsorgung von Lebensmitteln beschränkt ist, sondern sich in und außerhalb der Lebensmittelindustrie vor allem auch durch die knapp 19 Millionen Tonnen Verpackungsmüll zeigt, die jährlich in Deutschland entstehen. Über die Hälfte der Kunststoffabfälle werden verbrannt und setzen umweltschädliche Emissionen sowie krebserregende Dioxine frei. Zudem landet weltweit ungefähr ein Lastwagen voll Plastikmüll pro Minute im Meer, was dazu führt, dass jährlich bis zu 135.000 Meerestiere und am Meer lebende Vögel sterben. Forscher gehen davon aus, dass in 2050 mehr Plastik als Fische in unseren Meeren schwimmt. Nachfüllbare Behälter, Pfandsysteme sowie Recycling sollen dem Problem wenigstens teilweise entgegenwirken und um zusätzliche Verpackungsmaterialien, die Infos über das Produkt liefern sollen, zu vermeiden, verwenden einige Unternehmen inzwischen AR Technologie.

Obwohl in Deutschland laut Statistiken bis zu 70% des anfallenden Verpackungsmülls verwertet werden, wird gerade einmal 17% davon nachvollziehbar zu recyceltem Plastik verarbeitet, welches oft nicht dieselbe Qualität hat wie neues Plastik. Der Rest wird verbrannt. Darüber hinaus wird Verpackungsmüll auch dann als verwertet gezählt, wenn er zur Entsorgung in andere Länder exportiert wird. Verbraucher werden also mit Zahlen konfrontiert, die nicht vermitteln, was in Wahrheit vor sich geht.

Wenn man genau hinsieht, steht Deutschland folglich gar nicht so gut da, wie viele von uns denken. Trotzdem sind wir immer noch Vorreiter, denn weltweit werden insgesamt nur 9% Plastikmüll verwertet. Das liegt unter anderem daran, dass es in anderen Ländern noch nicht mal Verbrennungsanlagen gibt, d. h. Kunststoff, der nicht recycelt wird, landet in unserer Umwelt und vor allem in unseren Meeren. Das entspricht 91% des weltweit produzierten Plastikmülls.


Um dieses Problem zu lösen, suchen verschiedene Industrien nach Alternativen zu dem umweltschädlichen Kunststoff. Inzwischen wird vermehrt Papier für Einwegverpackungen verwendet. Bei einmaliger Verwendung sind Papiertüten allerdings nicht nachhaltiger als Plastik, denn für ihre Erzeugung werden große Mengen Wasser benötigt. Für die Herstellung von 1000 Plastiktüten werden 220 Liter Wasser verbraucht, für Papiertüten knapp 3800 Liter. Daher müssten Papiertüten mindestens viermal verwendet werden, um Plastiktüten in puncto Nachhaltigkeit zu übertreffen. Ein anderer Lösungsansatz besteht darin, die Menge an Verpackungsmüll dauerhaft zu reduzieren, indem Substitute erzeugt werden, die sich schneller zersetzen als herkömmliche Kunststoffe.

Verpackungsalternativen aus Reststoffen und Überschüssen

Kunststoffe, wie wir sie kennen, basieren fast immer auf Erdöl und über die Hälfte wird für Einwegartikel verwendet. Sie umhüllen zum Beispiel in unseren Supermärkten zahllose Produkte, um sie vor Außeneinwirkungen wie Verunreinigungen, Beschädigungen, Wasserdampf oder Licht zu schützen. Wegen dieser schützenden Eigenschaften können Kunststoffe nicht immer vermieden werden, aber es ist möglich, sie durch Bioplastik zu ersetzen.

Bioplastik bezeichnet Verpackungen, die vollständig oder zu großen Teilen aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. (Die Begriffe “Bioplastik” oder “Biokunststoff” sind allerdings nicht geschützt, d. h. es gibt keine rechtlichen Vorgaben oder Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um die Begriffe für seine Produkte zu benutzen, weshalb sie nicht einheitlich verwendet werden.) In diesem Artikel möchten wir Ihnen die verschiedenen Arten von Bioplastik vorstellen, die auf dem Markt existieren oder gerade entwickelt werden.

Bioplastik aus Stärke

Stärke ist eine organische Verbindung, ein Kohlenhydrat, welches von Pflanzen gebildet wird. Zu den stärkereichen Lebensmitteln, aus denen Stärke gewonnen wird, zählen Getreide, Kartoffeln, Reis, Gemüse und Hülsenfrüchte, aber zur Erzeugung von Bioplastik werden bisher hauptsächlich Mais und Zuckerrohr verwendet.

Dafür wird die gewonnene Stärke mit der gleichen Menge an Essig und Glycerin und der vierfachen Menge an Wasser vermischt. Das Gemisch wird bei Temperaturen zwischen 175 und 220 °C kontinuierlich gerührt, bis es dickflüssig wird. Die erhitzten Stärkekörner, die nur unter dem Mikroskop sichtbar werden, platzen, wenn sie erhitzt werden und die Stärkeketten landen im Wasser und bilden eine Art Netz, welches viele Wassermoleküle einfängt. Der Essig bricht diese Ketten auf, damit sie sich zu neuen, langen Ketten anordnen können und das Glyzerin fungiert als Weichmacher, welcher dem erzeugten Kunststoff Elastizität und Geschmeidigkeit verleiht. So entsteht ein elastisches Gel.

Es wird bei gleicher oder niedrigerer Temperatur weiter verrührt. Je länger das Gemisch erhitzt und gerührt wird, desto stabiler werden die Bindungen. Spätestens nach zehn Minuten ist die Masse zähflüssig und durchscheinend.

Nachdem sie etwas abgekühlt ist, kann sie auf einer flachen Oberfläche verstrichen oder in eine Form gegossen werden. Sie wird etwa eine Woche an der Luft oder zwei Stunden bei 60 bis 70 °C getrocknet. Die noch weiche Masse kann zu Schalen oder Rohren geformt werden, zum Beispiel indem sie um Objekte in der gewünschten Form gewickelt und dann getrocknet wird.

Thermoplastische Stärke bildet mit etwa 80% den höchsten Marktanteil an Bioplastik. Der Begriff beschreibt Biopolymere, die sich thermoplastisch verformen lassen, d. h. sie können in einem bestimmten Temperaturbereich verformt werden. Der Vorgang ist reversibel, denn die Stärkemischung kann beliebig oft erwärmt und wieder in einen zähflüssigen Zustand gebracht werden, um neu geformt zu werden. Wegen den thermoplastischen Eigenschaften kann die Stärke mit den in der Kunststoffindustrie üblichen Prozessen verarbeitet werden. Dazu zählt unter anderem die Blasfolienextrusion, bei der die “Schmelze” aus einer Ringdüse in Form eines geschlossenen Folienschlauchs austritt oder das Spritzgießen, wobei die Schmelze unter Druck in eine Form gespritzt wird.

Wie eingangs erwähnt, werden stärkereiche Lebensmittel wie Mais und Zuckerrohr zur Herstellung von Bioplastik verwendet, aber wir von LEROMA interessieren uns vor allem für den Ansatz, landwirtschaftliche Abfälle und Reststoffe zu diesem Zweck an die Kunststoffindustrie weiterzugeben, denn Stärke kann zum Beispiel auch aus Kartoffelschalen gewonnen werden. Dieser Ansatz ist enorm wichtig, da aktuell Rohstoffe speziell zur Herstellung von Bioplastik angebaut werden, obwohl mehr als genug Reststoffe zur Verfügung stehen, die durch das Verfahren vor dem Müll gerettet werden könnten. Thermoplastische Stärke absorbiert allerdings Feuchtigkeit, weshalb sie oft mit wasserabweisenden und biologisch abbaubaren Polymeren gemischt wird.

Biopolymere

Polymilchsäure, ein Polymer, das zu den Polyestern zählt, kann durch Fermentation aus Stärke gewonnen werden. Außerdem gibt es im Handel unter anderem ein Biopolymer, welches aus dem Milcheiweiß Kasein besteht und aus Rohmilch hergestellt wird, die nicht mehr für den Verzehr geeignet ist.

PHA

Polyhydroxyalkanoate, abgekürzt PHA, sind natürlich vorkommende Biopolymere, die besonders im Bereich Verpackungen und Beschichtungen herkömmliche Kunststoffe ersetzen sollen. Schon vor Jahren wurde ein Verfahren entwickelt, um PHA mithilfe von Lebensmittelabfällen herzustellen. Die Abfälle werden durch Prozesse, die sich je nach Unternehmen unterscheiden, in Fettsäuren umgewandelt. Eine Möglichkeit besteht darin, die Lebensmittelreste in einer modifizierten Vergärungsanlage abzubauen, wobei flüssige Fettsäuren als Zwischenprodukt anfallen. Ein anderes Unternehmen wiederum zerlegt die Abfälle durch eine Bakterienkultur in kurzkettige Fettsäuren.

Die Fettsäuren werden dann an spezielle Bakterien verfüttert, die in ihren Zellen PHA produzieren. Das PHA wird aus den Zellen extrahiert und zu Kunststoff verarbeitet. Der ganze Prozess dauert sieben Tage oder weniger und ist kohlenstoff-negativ, d. h. er entzieht mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre, als er produziert. Es ist sogar möglich, den Kunststoff nach Gebrauch erneut in diesen Prozess einzuführen. Neben den Lebensmittelabfällen an sich kann auch das Methan, welches bei ihrer Lagerung auf Deponien oder bei anderen industriellen Prozessen entsteht, in PHA umgewandelt werden.

PHA zeichnet sich durch seine geringe Wasserdurchlässigkeit und hohe Temperaturbeständigkeit aus und kann sogar als Filament im 3D-Druck verwendet werden. Noch ist die Gewinnung von PHA kostenintensiver als die Erzeugung herkömmlicher Kunststoffe, allerdings sollten Unternehmen sich bewusst sein, dass die ökologischen Kosten von konventionellem Plastik deutlich höher ausfallen.

HMF

HMF (Hydroxymethylfurfural) entsteht bei der thermischen Zersetzung von Zucker oder Cellulose und oxidiert teilweise zu DFF, einer chemischen Verbindung, die zu Biokunststoff verarbeitet werden kann. Auch für dieses Verfahren können Reststoffe verwendet werden, wie zum Beispiel Apfelschalen, die Cellulose enthalten. Bisher war der Prozess wirtschaftlich nicht sinnvoll, weil aufwendige Technologie sowie hohe Temperaturen notwendig waren. Die Lösung des Problems sind sehr lange, dünne und mehrfach wiederverwendbare Nanostäbchen aus Mangandioxid, welche als Katalysator dienen und die Teiloxidation beschleunigen. Außerdem erhöht die Struktur der Nanostäbchen die Lichtabsorption, weshalb das HMF durch eine photokatalytische Reaktion in DFF umgewandelt werden kann. Dafür reicht eine UV-LED Lampe. Darüber hinaus hat das Mangandioxid eine große Kontaktfläche mit dem Ausgangsmolekül und Test haben gezeigt, dass durch die erhöhte Aktivität nahezu 100% des HMF in DFF umgewandelt wird.

Neben der Verwendung von Biopolymeren und Stärke gibt es auch Versuche, nachhaltige Verpackungen aus Pflanzenresten wie Zuckerrohrblättern oder Algenfasern herzustellen. Zudem wird mit Beschichtungen aus Algen und Tomatenschalen experimentiert, welche das Aluminium ersetzen sollen, das auf verschiedene Trägermaterialien aufgedampft wird und Lebensmittel vor Feuchtigkeit schützen soll. Auch Chitosan, das aus den Schalen von Krustentieren gewonnen wird, soll bald in der Verpackungsindustrie eingesetzt werden, zum Beispiel bei der Herstellung von biologisch abbaubaren Plastiktüten.

Bioplastik aus Fischabfällen

Ein Startup aus England hat auf der Suche nach einer Verwendung für Lebensmittelabfälle eine Formel für einen biologisch abbaubaren Kunststoff aus Fischresten erstellt. Der Kunststoff wird aus Fischhäuten und -schuppen hergestellt, die sich durch ihre Flexibilität und Stärke auszeichnen. Der fertige Biokunststoff ist eine transparente Folie, die sich besonders für Einwegverpackungen eignet, da sie sich in einer Bodenumgebung innerhalb von 4 bis 6 Wochen vollständig abbauen kann. Sie können sogar von Wildtieren konsumiert werden, ohne dass diese dadurch geschädigt werden. Zudem ist die Folie stärker als Folien, die mit LDPE, einem Bestandteil von herkömmlichen Kunststoffen, hergestellt werden.

Generell hat Bioplastik ein enormes Potenzial, denn Biopolymere brauchen gerade mal sechs Wochen bis zwei Jahre, um sich vollständig zu zersetzen. Zum Vergleich, eine Plastiktüte braucht 20 Jahre und bei einer Plastikflasche kann der Zersetzungsprozess bis zu 450 Jahre dauern.


Auf Dauer trägt Bioplastik also zur Reduzierung der Vermüllung bei, aber dieser Umstand sollte nicht zu einem sorglosen Umgang mit Verpackungsmüll führen, da biobasierte Kunststoffe unter unkontrollierten Bedingungen immer noch sehr lange brauchen, bis sie komplett abgebaut werden.

Wir haben uns diese Woche mit innovativen Prozessen befasst, die eindrucksvoll zeigen, dass die Reduzierung von Lebensmittelabfällen und die Herstellung von nachhaltigem Bioplastik miteinander einhergehen können. Obwohl manche Verfahren sich noch in der Entwicklung befinden, gehen wir davon aus, dass sie sich künftig auf dem Markt platzieren werden.

Unternehmen sollten sich bereits jetzt mit alternativen Verpackungen befassen, denn es ist zu erwarten, dass im Rahmen des Klimaschutzpakets in Zukunft zusätzliche Steuern auf Plastik gelegt werden. Die Umstellung erfolgt natürlich nicht von einem Tag auf den anderen, aber wer heute schon den Wandel einleitet, kann künftig Geld, Zeit und Kapazitäten sparen.

Wenn innovative, biologisch abbaubare Kunststoffe aus Lebensmittelabfällen in unseren Alltag integriert werden, können sie eine eigene Kreislaufwirtschaft erschaffen und sich positiv auf unsere Umwelt auswirken.

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