Insekten: Das nachhaltige Superfood aus Asien
Insekten als Lebensmittel? Das können sich viele Deutsche immer noch nicht vorstellen, obwohl der Trend schon lange nicht mehr zu übersehen ist.
Wir haben uns diese Woche mit dem neuen Superfood befasst und laden Sie ein, mit uns in die Thematik einzutauchen:
Es gibt rund 2000 essbare Insekten, von denen einige in Asien, Südamerika, Australien und Afrika ganz selbstverständlich zum Speiseplan gehören. Buffalowürmer, Heuschrecken, Mehlwürmer, Grillen, Ameisen, Käfer, Raupen und viele mehr stellen in manchen dieser Länder vor allem wegen der enthaltenen Proteine eine wichtige Nährstoffquelle dar. Die wechselwarmen Insekten fühlen sich in den warmen Ländern sehr wohl und vermehren sich stark, weshalb sie kontinuierlich in großen Mengen verfügbar sind. In den kalten europäischen Ländern findet sich nicht dieselbe Vielfalt, aber das Interesse an Insekten als Nahrungsmittel wächst und auch in Deutschland sind schon ein paar Insektenprodukte im Handel verfügbar.
Inhaltsstoffe von Insekten
Aufmerksamkeit erlangen die kleinen Tiere insbesondere wegen dem hohen Proteingehalt, denn essbare Insekten enthalten durchschnittlich zwischen 35 und 61% Eiweiß. Zum Vergleich: Rind-, Schweine- und Hühnerfleisch enthält 22-27% Eiweiß. Zudem sind Insekten reich an Mineralstoffen, Spurenelementen wie Eisen, Zink und Vitamin B und sie haben einen hohen Fettgehalt. Der Fettgehalt setzt sich ausgeglichen aus gesättigten und ungesättigten Fettsäuren zusammen, zu denen auch wertvolle Omega-3-Fettsäuren gehören.
Aufgrund der Inhaltsstoffe werden unter anderem Mehlwürmer zu Proteinriegeln oder -pulver für Sportler verarbeitet. Dabei ist interessant, dass der Protein- und Fettgehalt von Insekten deutlich steigt, wenn sie gefriergetrocknet werden, da ihnen bei diesem Prozess Wasser entzogen wird. So erhöht sich zum Beispiel bei Mehlwürmern der Proteinanteil von 18,7% auf 50,9%.
Der genaue Anteil an Proteinen und weiteren Inhaltsstoffen variiert je nach Insekt. Darüber hinaus haben auch das Futter, das Entwicklungsstadium, der Lebensraum sowie die Verarbeitung einen Einfluss auf die Nährstoffzusammensetzung und den Geschmack. Diese Faktoren müssen bei der Insektenzucht also beachtet werden.
Insektenzucht
Insekten sind eine unerschöpfliche Ressource, die aufgrund ihrer Inhaltsstoffe künftig als Substitut für Rind-, Schweine- oder Hühnerfleisch dienen könnten. Zudem kann ihre Zucht nachhaltiger gestaltet werden als die der größeren Nutztiere.
Um eine hohe Qualität von Insekten zu gewährleisten, werden sie in Insektenfarmen gezüchtet. Dort werden sie in Tabletts herangezogen, die vertikal aufeinander gestapelt werden können und somit enorm platzsparend sind. Diese Art der Zucht wird “Vertical Farming” genannt. Der Begriff beschreibt die Erzeugung von pflanzlichen und tierischen Produkten in übereinander gelagerten Ebenen, um zum Beispiel innerhalb von Städten platzsparend Lebensmittel wie Obst, Gemüse und
Algen anbauen zu können. Auf einzelnen Tabletts können mehrere Tausend Tiere gezüchtet werden, da Insekten es eng und dunkel lieben.
Außerdem benötigen sie Wärme, weil sie wechselwarm sind und die Umgebungstemperatur annehmen. Hier sehen Kritiker ein Problem, denn in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern müssten die Insektenfarmen mehrere Monate beheizt werden. Zum Beispiel Buffalowürmer werden bei konstanten Temperaturen von etwa 30 °C gezüchtet. Dafür wachsen sie auch mit wenig Futter in kürzester Zeit zur gewünschten Größe heran, weil sie keine Energie zur Regulierung ihrer Körpertemperatur aufwenden müssen. Buffalowürmer brauchen gerade einmal 4 Wochen für den Wachstumsprozess. Die Futtereffizienz von Insekten wird vor allem im Vergleich mit Rindern deutlich. Für einen Kilogramm Insektenmasse werden 2 Kilogramm Futter benötigt, für einen Kilogramm Rindfleisch das vierfache.
Zudem kann die Erzeugung von Insekten in die Kreislaufwirtschaft eingeführt werden, wenn die kleinen Tiere zum Beispiel mit pflanzlichen Nahrungsmittelresten gefüttert werden. Dabei gilt allerdings, dass Insekten nicht einfach mit Abfällen gefüttert werden sollten, weil in dem Fall die hygienische Sicherheit nicht gewährleistet werden kann. Deswegen wird davon abgeraten, selbst gefangene Insekten zu konsumieren oder zur Herstellung von Lebensmitteln zu verwenden. Die empfohlenen Insekten aus Zuchtfarmen werden als “Speiseinsekten” bezeichnet, weil sie speziell für den menschlichen Verzehr unter hygienischen Bedingungen gezüchtet werden und somit ohne Bedenken konsumiert werden können.
Insekten verbrauchen nicht nur weniger Futter, sondern auch weitaus weniger Wasser als herkömmliche Nutztiere wie Rinder. Während für einen Kilogramm Insektenmasse acht Liter Wasser verbraucht werden, benötigt die Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch fast 20.000 Liter Wasser.
Darüber hinaus können 80 bis 100 Prozent der Insekten verzehrt werden, womit der essbare Anteil fast doppelt so hoch ist wie bei Rindern, wo er 50 Prozent beträgt. Obendrein produzieren Insekten deutlich weniger Treibhausgase als konventionelle Nutztiere wie Schweine, die 10 bis 100 Mal so viel Emissionen erzeugen wie dieselbe Masse an Mehlwürmern.
Tötung der Insekten
24 Stunden bevor die Insekten zur weiteren Verarbeitung getötet werden, bekommen sie kein Futter mehr, um sicherzustellen, dass der Darm leer ist. So wird die Verunreinigung des Endprodukts durch eventuelle Magen- und Darminhalte verhindert.
Bei niedrigen Temperaturen fallen die wechselwarmen Insekten in eine Art Winterstarre, bei der alle Körperfunktionen drastisch gesenkt werden. In der Natur passiert das oft nachts wenn die Temperaturen fallen, während dieser Zustand in Insektenfarmen künstlich herbeigeführt wird. Bei der Zucht werden die Insekten so stark runtergekühlt, dass sie nicht mehr aufwachen. Im Anschluss werden sie gesäubert und gefriergetrocknet oder anderweitig weiterverarbeitet.
Obwohl Insekten Schmerzreize wahrnehmen können, werden sie sich dem Schmerz vermutlich nicht bewusst, weil sie kein zentrales Nervensystem besitzen. Im Allgemeinen erscheint die Tötung von Insekten durch eine künstliche Winterstarre um einiges besser als die Schlachtung von herkömmlichen Nutztieren.
Es gibt auch biozertifizierte Insektenlebensmittel, die sich wie herkömmliche Bioprodukte durch biozertifiziertes, gentechnikfreies Futter, artgerechte Haltung und den Verzicht auf Hilfsstoffe auszeichnen. Das heißt, dass den kleinen Tieren ausreichend Platz, Licht und Bewegungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Da Insekten von vornherein keine Antibiotika oder Hormone benötigen, wird auch bei der konventionellen Insektenzucht darauf verzichtet. Das liegt daran, dass Insekten kaum anfällig für Krankheiten sind und in geschlossenen Zuchtstationen nur hochwertiges Futter bekommen. Zum Vergleich: Konventionell gezüchtete Schweine werden sechsmal jährlich mit Antibiotika behandelt.
Insekten als Lebensmittel in Europa
Seit dem 1. Januar 2018 ist der Verkauf von Insekten als Lebensmitteln auch in Europa erlaubt und inzwischen gibt es Insektenfarmen unter anderem in den Niederlanden, in Frankreich, in Spanien und in Kanada. In der Schweiz sind Mehlwürmer, Grillen und Heuschrecken schon seit 2017 als Nahrungsmittel zugelassen.
Erst seit 2020 sind Insektenfarmen auch in Deutschland erlaubt; bis dahin wurden die proteinhaltigen Tiere aus anderen EU-Ländern und weiterhin auch aus asiatischen Ländern wie Thailand importiert, wo der Konsum von Insekten schon lange üblich ist.
Grundsätzlich fehlt es in Europa derzeit an einheitlichen Regelungen für die Insektenzucht, weil Insekten als Lebensmittel bei uns noch relativ neu sind. So gibt es bisher unter anderem keine klaren Vorgaben für die Zulassung von Insektenfarmen und verarbeitenden Betrieben oder für Identitätskennzeichnungen, die vermitteln sollen, dass die Erzeuger von Insektenprodukten sich an bestimmte hygienische Maßnahmen halten. Allerdings wurde in 2019 das erste EU-weite Gesetz für ökologische Insektenzucht verabschiedet, welches Richtlinien zur Haltung und Tötung für sieben Arten von Käfern, Fliegen und Heuschrecken definiert. Als Futtermittel sollen hauptsächlich ökologische und pflanzliche Nebenprodukte und Reststoffe aus der Lebensmittelverarbeitung dienen, damit Insekten nicht mit der menschlichen oder tierischen Ernährung konkurrieren.
Des Weiteren müssen Hygienevorgaben und artgerechte Haltungsbedingungen, die unter anderem festlegen, wie eng die kleinen Tiere zusammen leben dürfen und Verstümmelungen verbieten, befolgt werden. Schließlich gibt das Gesetz auch vor, dass die Insekten möglichst schonend und schnell getötet werden sollen, indem sie in den Zuchtfarmen in eine Winterstarre versetzt werden. Tötungsmethoden wie die langsame Austrocknung an der Sonne sind verboten.
Insektenprodukte in Deutschland
Gegrillte, frittierte oder schokolierte Heuschrecken und Käfer sind in Asien kein ungewöhnlicher Anblick und werden ohne zu zögern als Snack konsumiert. Die Verbraucher schrecken vor den Krabbeltieren nicht zurück, weil sie schon als Kind mit Insekten als Nahrungsmitteln in Berührung kommen. Hierzulande reagieren Konsumenten meist mit Ekel auf den Trend. Deshalb kommen die Insekten bei uns bisher hauptsächlich verarbeitet zu Endprodukten wie Proteinriegeln, Burger Patties oder Mehl in den Handel, obwohl die kleinen Tiere online auch im Ganzen, frittiert oder schokoliert zu finden sind. Tatsächlich gibt es in Deutschland inzwischen Restaurants, die Insektenburger mit Patties aus Buffalowürmern oder sogar ganze Buffalowürmer und Heuschrecken zum Probieren anbieten.
Darüber hinaus wird in einer deutschen Bäckerei auch schon Brot aus Insektenmehl verkauft. Dieses besteht aus gemahlenen Mehlwürmern und unterscheidet sich von herkömmlichen Mehlen durch Löslichkeit, Elastizität und Wasserbindungsvermögen. Forscher nehmen sich dieser Herausforderung an, um den Geschmack, die Backeigenschaften und die Textur von Insektenmehl an herkömmlichen Mehle anzupassen und so die Verbraucherakzeptanz zu erhöhen.
Insekten werden auch in der Tierfütterung eingesetzt, um weniger nachhaltige Proteinquellen wie zum Beispiel Soja oder Fischmehl zu ersetzen, aber Kritiker bemängeln, dass damit ein zusätzlicher Schritt in den Prozess eingefügt wird und mehr Treibhausgase entstehen, als wenn die Futtermittel, welche für die Insekten aufgewendet werden, direkt an die größeren Nutztiere verfüttert würden.
Kennzeichnung von Insektenprodukten
Weil Verbraucher Insekten als Lebensmittel nicht gewohnt sind, müssen Unternehmen ihre Kunden über mögliche Gefahren informieren, denn noch fehlen auf den Verpackungen der neuartigen Produkte oft Hinweise darauf, wie sie verwendet werden sollten. So müssen manche von ihnen vor dem Verzehr erhitzt werden, um eventuelle Keime abzutöten oder die Verdaulichkeit zu verbessern. Besonders wichtig ist, dass Insektenanteile in der Zutatenliste klar gekennzeichnet werden, da sie allergische Reaktionen hervorrufen können, auch wenn das Risiko als eher gering eingeschätzt wird. Trotzdem kann es sein, dass Verbraucher, die auf Krebstiere reagieren, auch bei Chitin, der Körperhülle mancher Insekten, allergische Symptome zeigen. Auch das Protein Tropomyosin oder das Futtermittel, zum Beispiel Soja oder Weizen kann bei Allergikern Reaktionen hervorrufen. Die meist unvollkommene Kennzeichnung der Bestandteile kann also durchaus problematisch sein und sollte künftig sorgfältig überarbeitet werden.
Das Interesse an essbaren Insekten steigt, aber vorerst bleiben die kleinen Tiere ein Nischenprodukt, weil sie bisher sehr teuer sind. So liegt der Preis von einem Kilogramm Insektenmehl bei etwa 100 Euro, während dieselbe Menge an herkömmlichem Mehl meist nicht mehr als einen Euro kostet und 70 Gramm Mehlwürmer kosten knapp acht Euro. Grund dafür ist die bisher noch relativ aufwendige manuelle Züchtung. In Zukunft könnten die Preise allerdings stark sinken, wenn der Erzeugungsprozess von Insektenlebensmitteln industrialisiert wird.
Insekten werden auch in anderen Industrien eingesetzt. Es wird bereits ein Wirkstoff aus Wundmaden gewonnen, der zur Anwendung in Salben, Pflastern und Wundauflagen verarbeitet wird und so zum Beispiel die Heilung von entzündetem Gewebe deutlich beschleunigen soll.
Die kleinen Tiere sind also nicht nur eine ressourcenschonende Nährstoffquelle, sondern auch ein innovativer Rohstoff für alternative Industrien, der zurzeit immer mehr Bekanntheit erlangt und sich bald deutlich sichtbar auf dem Markt platzieren wird.
Let’s simplify the future of change!